Anton Tourbillon

03/2020: Insights – Funktion des Tourbillon

Jens Schneider, Entwicklungsleiter bei Lang & Heyne, bespricht im folgenden Video die Anton mit seinem Tourbillon und geht dabei auf deren Bedeutung, Funktion und Wirkungsweise näher ein.

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Hallo liebe Uhrenfreunde,

wir möchten Euch ganz herzlich begrüßen und Euch heute unsere „Anton“ vorstellen. Die „Anton“ basiert auf unserem rechteckigen Modell „Georg“. Bei der Konstruktion dieses Uhrwerkes haben wir das Minutenrad etwas nach oben verschoben, wodurch die Aufteilung der Bauteile harmonischer gestaltet werden konnte. Auf dem Zifferblatt der „Georg“ entstand so Platz für ein großes Sekundenzifferblatt, der jetzt bei der „Anton“ vom Tourbillonkäfig eingenommen wird.

Worin besteht nun eigentlich der Sinn dieser Komplikation? Geht es nur darum, dass sich ein paar mehr schön finissierte Teile sichtbar in der Uhr bewegen, um den wohlklingenden Namen und die historische Mystik?

Nein. Denn das ursprüngliche Ziel der Uhrmacher ist immer eine genau gehende Uhr und das Tourbillon ist eines der vielen Hilfsmittel dazu.

Der Gang der Uhr wird wesentlich von der Präzision ihres Schwingsystems bestimmt. Darunter verstehen wir das System aus Unruh und Spiralfeder. Während der Schwingung wirkt es kurze Zeit mit dem Anker zusammen. Dadurch können wir es nicht genau auswuchten. Sein Schwerpunkt liegt zumindest für den Moment des Zusammenwirkens mit dem Anker nicht in der Achse. Wir müssen also eine Gangabweichung in Kauf nehmen, wenn wir unser Uhrwerk um die Achse des Schwingsystems drehen. Der Fachmann nennt diese Positionen auch die „Kronenlagen“ der Uhr.

Der Uhrmacher Breguet kam schon auf die geniale Idee, Schwingsystem und Hemmung in ein Gestell zu setzen, welches selbst um die Achse des Schwingsystems rotiert. Dadurch wiederholt sich die durch den Schwerpunktfehler erzeugte Gangabweichung und unsere Zeiger zeigen einen genaueren Mittelwert an.

Wir dürfen aber nicht unerwähnt lassen: wo Licht ist, ist auch Schatten. Die zusätzlichen Bauteile bringen natürlich Nachteile mit sich. Das Käfiggestell mitsamt der Hemmung muss vom Laufwerk der Uhr schnell beschleunigt werden, wenn die Unruh durch den Anker schwingt. Danach muss es sofort wieder von dem recht zarten Ankerradzahn an der Ankerpalette gestoppt werden. Wäre der Käfig schwer und massig, würde das für den Gang mehr Nachteile bringen und zu schnellem Verschleiß führen. Daher liegt es in der hohen Kunstfertigkeit des Uhrmachers, das Gestell fein, filigran und trotzdem stabil herzustellen.

Wir haben uns bei der Formgestaltung die Gedanken des Glashütter Uhrmachers Alfred Helwig zu Herzen genommen. Er war Lehrer an der hiesigen Uhrmacherschule und hat sich dort intensiv mit dem Thema Tourbillon auseinandergesetzt. Helwig suchte nach Wegen, die bekannten Nachteile zu minimieren. Er gab seinen Tourbillon-Oberteilen eine dem Buchstaben Omega ähnliche Form, durch deren Bögen die Konstruktion stabil und trotzdem elastisch wird. Wir sehen, dass der Käfig sehr filigran ist. Damit er dennoch widerstandsfähig ist, muss er aus gehärtetem Stahl hergestellt werden. Die rohe Form wird bei uns auf CNC-Maschinen ausgeschnitten und nach dem Härten von Hand fein poliert und angliert.

Auch beim komplett montierten Tourbillonkäfig sollte sich dessen Schwerpunkt in der Achse befinden, sonst würde die außermittige Masse die Antriebskraft beeinflussen. Also muss unser Uhrmacher den gesamten Käfig nach der Montage auf die Unruhwaage legen und auswuchten. Da sich die Hemmung auf einer Seite des Mechanismus befindet, muss auf der Gegenseite mehr Material vorhanden sein. Dazu haben wir, wie Helwig, konstruktiv am kreisförmigen Unterteil eine Verdickung vorgesehen, die deutlich zu sehen ist. An dieser Verdickung kann der Uhrmacher Material abtragen und den Käfig ohne zusätzliche Gewichte auswuchten. (mehr zum CALIBER IX der Anton)

Bei den Tourbillons von Alfred Helwig ist die Hemmung unterhalb des Käfigunterbodens angeordnet, wodurch die ganze Konstruktion flacher und gleichzeitig leichter wird.

Die bekannteste Besonderheit seiner Konstruktionen ist die Art der Lagerung des Käfigs. Wir wissen, dass jedes sich drehende Teil zur sicheren Führung zwei Lager braucht, die bei Uhren aus Zapfen und Lagerstein bestehen. Das löst man beim Tourbillon für gewöhnlich mit einer Brücke oder einem Kloben für den Lagerstein, der den oberen Zapfen des Käfigs aufnimmt.

Durch die filigrane Bauweise des Käfigs mit den vielen Bauteilen und den damit verbundenen Toleranzen ist es allerdings sehr schwierig zu garantieren, dass die beiden Zapfen genau zueinander fluchten.

Daher ordnete Helwig beide Lager unterhalb des Käfigs an, so dass nur eine gemeinsame Achse benötigt wird. Wir sprechen auch von einer fliegenden Lagerung, da wir oben keine Brücke und kein Lager sehen – die Konstruktion liegt völlig frei. Auf der Rückseite des Uhrwerkes unserer „Anton“ sehen wir eine sehr kräftige Stahlbrücke (bei unseren Modellen „Anton“ und „Georg“ bestehen alle Kloben und Brücken aus Edelstahl). Ein fensterförmiger Ausschnitt in der Brücke schafft Raum für das Trieb, welches den Käfig antreibt und auf einer längeren Welle sitzt. Diese Welle ist in zwei Steinen gelagert und trägt den gesamten Tourbillonkäfig. Einen Lagerstein können wir sehen, der zweite befindet sich unterhalb des Triebes.

Der begrenzte Platz innerhalb des Tourbillons zwingt uns dazu, die Hemmung „über Eck“ anzuordnen. Damit wir nicht die Ankergabel an der dünnen Ankerklaue anbringen müssen, haben wir den Anker aus zwei Teilen gefertigt, dem Ankerkörper und der Gabel.

Wir sehen hier oben auch die schöne blaue Spirale mit einer Endkurve. Diese bewirkt, dass die Spirale genau zentrisch atmet. Die blaue Farbe hat heute nur noch einen ästhetischen Wert, denn unsere Uhren sollen auch schön anzusehen sein. Als die Spiralen noch aus Stahl bestanden, wurden sie gehärtet und anschließend angelassen, wobei die blaue Farbe entstand und die Spirale die richtige Härte erlangte.

Dies soll ein kurzer Einblick in das Thema Tourbillon gewesen sein. Alfred Helwig hat das Thema insbesondere in seinen in der „Deutschen Uhrmacher-Zeitung“ erschienenen Schriften „Drehganguhren“ sehr ausführlich behandelt. Dort weist er auch darauf hin, dass man insbesondere bei großen Tourbillons die negative Wirkung der Trägheit dadurch verringert, indem man dessen Drehgeschwindigkeit verlangsamt. Das erreicht man durch Einfügen eines zusätzlichen Rades, wofür aber der Käfig unserer „Anton“ zu klein ist. Wir haben die übliche Umlaufgeschwindigkeit von einer Minute gewählt und können mit Hilfe einer blauen Schraube gleichzeitig die Sekunde auf der umliegenden Sekundenskala anzeigen.

Wir bedanken uns für Euer Interesse und hoffen, wir konnten ein wenig Klarheit über Zweck und Funktion des Tourbillons schaffen. Häufig wird auch über den Sinn dieser Konstruktion in einer Armbanduhr diskutiert. Manch einer meint, sie drehe sich beim Tragen ohnehin ständig, wozu dann noch ein Tourbillon? Um das Tourbillon in seiner Funktion zu ersetzen, müsste der Träger seine Uhr aber regelmäßig in ALLE Kronenlagen bringen und dazu wären schon akrobatische Bewegungen nötig. Uhrmacher wissen, dass die meisten Armbanduhren nur zwischen Krone links und Krone unten getragen werden. Darüber hinaus sind die Bewegungen, die beim Tragen ausgeführt werden, sehr ungleichmäßig. Die Überlagerung der sehr gleichmäßigen und langsamen Drehbewegung des Tourbillons mit der Armbewegung bringen somit doch eine gleichmäßigere Ausmittelung der Gangfehler in allen Lagen.

Für heute möchten wir uns von Euch verabschieden und bedanken uns für Euer Interesse.

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